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In Köln mit Felix Roßkopf

„Du kannst das doch immer noch als Hobby machen.“ So in etwa haben die Eltern von Felix Roßkopf reagiert, als er ihnen mit 15 Jahren erklärt hat, dass er Berufsmusiker werden will. Auch seine damalige Klavierlehrerin, die ihn seit seinem fünften Lebensjahr unterrichtete, hielt nicht viel von der Idee. Schließlich gäbe es nur sehr wenige Leute, die damit eine gute Karriere machten und das Potenzial habe sie bei ihm nicht unbedingt gesehen. Viele Teenager würden bei so wenig Zuspruch vermutlich eher den konventionellen Ausbildungsweg gehen. Doch für Felix stand die Entscheidung bereits fest – und so verfolgte er sein Ziel unbeirrt weiter. Bis auch sein Umfeld einsehen musste, dass er es ernst meinte.

Jazzpianist Felix im Interview

Der in Darmstadt geborene Pianist lebt mittlerweile seit über zehn Jahren in Berlin. Die Großstadt bietet ihm einfach mehr Möglichkeiten, sich zu verwirklichen, als die heimische Kleinstadt, des 33-Jährigen. Dennoch ist Felix seinem Geburtsort weiterhin tief verbunden – besonders seiner Schule, dem Schuldorf Bergstraße. In der schuleigenen SBS Big Band spielte er Klavier und kam zum ersten Mal in Kontakt mit einer Musikrichtung, die ihn zeitlebens nicht mehr loslassen würde: Jazz. Durch die Band fing er an, sich intensiv mit dem Genre auseinanderzusetzen, ging öfter auf Jazzkonzerte und hörte sich durch die Alben der großen Interpreten und Vorreiter dieser Musikrichtung. Schnell bekam Felix positive Rückmeldungen zu seinem Spiel. „Wenn man jemand ist, der sich dann da auch ein bisschen reinkniet, die Musik hört, übt und einfach Bock darauf hat, dann kommt man mit so einer positiven Feedbackschleife auch weiter. Das war sehr motivierend.“, erinnert er sich. Die Schulband ermöglichte ihm zudem erste öffentliche Auftritte und damit praktische Spielerfahrungen. Felix erklärt: „Jazzmusik, die muss man halt einfach spielen. Das ist irgendwie was anderes, als die Sachen nur zu üben.“ 


Es dauerte nicht lange, bis auch seine Bandkollegen anfingen, ihm eine Zukunft als Berufsmusiker zu prophezeien. Etwas, das er damals nicht ernst genommen habe, wie er sagt. „Aber ich denke, irgendeine Art positives Feedback braucht man, um sich sicher zu fühlen und auch um zu wissen, dass man nicht spinnt.“, vermutet er. Sein Jazzklavier-Lehrer war ebenfalls von dem Potenzial des 16-Jährigen überzeugt. 2006 meldete er Felix beim Jugendförderpreis JAZZma an und nahm mit ihm für diesen Zweck ein Demo auf. Zu seiner Überraschung hat der Nachwuchspianist den Wettbewerb gewonnen. Noch im selben Jahr folgte der erste Preis beim Jugend jazzt Musikwettbewerb und anschließend die Aufnahme ins Landesjugend-Jazz-Orchester Hessen (LJJO Hessen). Diese Zeit war für den Pianisten eine sehr wertvolle und wichtige Erfahrung in seiner musikalischen Entwicklung. Er erklärt: „Für mich war dieses Landesjugend-Jazz-Orchester in Hessen mein erstes Jazz-Studium. Da waren zum Beispiel auch die Leute, die später bei Besaxung gespielt haben. Die habe ich da kennengelernt. Wir haben jedes Jahr zwei internationale Touren gehabt und auch sonst noch ziemlich viele Konzerte gespielt. Viele, die da mitgespielt haben, waren schon damals zu dem Zeitpunkt sehr, sehr gut.“ Aus der Zeit beim LJJO Hessen bildete sich die Bandformation Besaxung, in der Felix neun Jahre lang spielte. Parallel zu dem mikrotonalen Projekt schlug der Musiker 2014 mit der siebenköpfigen Formation Panda Syndikat andere, Hip-Hop-lastigere Wege ein. Doch ab 2016 wurde es ruhig um ihn.

Während einer Tour durch Lissabon lief der Pianist durch die Innenstadt, als er plötzlich mit seinem Fuß in einem brüchigen Straßenablauf stecken blieb und stürzte. Unglücklich mit dem Ellenbogen aufgeschlagen, zog er sich eine schwere Fraktur zu, die ihn nicht nur zum Abbruch der laufenden Tour zwang, sondern auch zu einer Operation. Ein Horrorszenario für jeden Musiker. Es sollte Jahre dauern, ehe Felix sich davon erholen und wieder auftreten konnte. Physiotherapie und Muskelaufbau bestimmten zunächst seinen Alltag und das Klavier blieb größtenteils unberührt. Nur langsam näherte er sich der Musik, versuchte zunächst mit kleineren Fingerübungen die Muskulatur wieder ans Instrument zu gewöhnen. Mehr als ein halbes Jahr brauchte es, ehe der Jazzer wieder richtig spielen konnte. Mit seinen Alben, Miniaturen sowie Gezeiten hat Felix zwischen 2017 und 2018 zwei Extended Plays veröffentlicht, die er frei improvisiert und in seinem Wohnzimmer aufgenommen hat. Die EPs seien ein erstes solistisches Herantasten gewesen und er wollte einfach damit beginnen, seine Musik mit anderen zu teilen, denn „[…] wenn man damit nicht anfängt, dann bleibt man in seinem kleinen Schneckenhaus und traut sich irgendwie nicht raus.“, erklärt er. Seine Bedenken, die eigene Musik öffentlich zu machen, überraschen. Schließlich habe er mit Solokonzerten sein musikalisches Leben begonnen. Mit 15 Jahren in Jazzformationen zu spielen sei nicht leicht gewesen, da es in dem Alter kaum Gleichgesinnte gegeben habe, mit denen Felix sich hätte vernetzen können und so gesteht er: „[…] das ganze Solothema war einfach, weil ich alternativlos war.“ Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob man ein Solokonzert spielt oder ein ganzes Soloalbum veröffentlicht. Vielleicht brauchen manche großen Schritte im Leben einfach ihre Zeit. 

Am 28. Oktober 2021 spielte Felix im Loft in Köln ein Solokonzert. Er mag den Club besonders wegen des guten Sounds und dem ausgezeichneten Flügel. Zudem hat die Konzertlocation ein angeschlossenes Tonstudio – für ihn also der perfekte Ort, um ein Livealbum aufzunehmen und damit seinen ersten richtigen Longplayer. Doch lässt sich Kreativität nicht immer nach Wunsch abrufen und je mehr man sie forciert, desto eher wird sie blockiert. Es kann frustrierend sein, wenn das eigene Konzept nicht überzeugt und die Ideen nicht richtig zu Papier gebracht werden können. Das Ergebnis waren ein paar Songs und grobe Vorstellungen einzelner Melodien. Beruhigt habe er sich allerdings mit dem Gedanken, dass er auch einfach improvisieren oder im Zweifel auf Jazzstandards zurückgreifen könne. Schließlich wurde er zu nichts gezwungen und konnte selbstbestimmt an das Konzert herangehen. Es dauerte nicht lange und die Unzufriedenheit über die Schreibblockade wich der für Jazzer typischen Gelassenheit und so machte sich Felix auf den Weg nach Köln. „Ich wusste, ich gehe da hin und werde erst mal frei improvisieren, weil dann wird man halt sehen.“, erinnert er sich.

 
In der Metropole angekommen ging es direkt zum Soundcheck. Obwohl die erste Aufnahme gleich richtig gut geklungen habe, bereitete sich Nervosität bei ihm aus und damit Zweifel. Zwar habe der Jazzpianist versucht, sich mit dem Klavier vor Ort vertraut zu machen, jedoch keinen richtigen musikalischen Zugang gefunden. Ein Leid, das allen Musikern, die ein immobiles Instrument spielen, bekannt vorkommen dürfte. Während er also im Hotel auf den Beginn des Konzerts wartete, kreisten die Gedanken in seinem Kopf und er dachte sich „scheiße, ich habe echt überhaupt keinen Plan, was jetzt passieren wird.“ Am Ende des Abends waren die Sorgen und Bedenken verflogen. Das Konzert war ein voller Erfolg, das Publikum begeistert und der Pianist zufrieden. Rückblickend betrachtet denkt Felix: „Man läuft immer Gefahr, sich zu viele Gedanken zu machen. Am Ende hat es beim Solokonzert deswegen so gut geklappt, weil es diesen Stress gab, nicht zu wissen, was genau passieren wird. Dadurch konnte man sich ja auch irgendwie mit dem Moment und den Zuhörern verbinden“. 13 Stücke hat er an diesem Abend gespielt. Er blieb noch ein paar Tage in Köln und arbeitete – angefacht von der Energie des Konzertes – an weiteren Improvisationen im Studio. 

Dann brauchte er Abstand. Von dem Abend und von den Aufnahmen. Zunächst ließ Felix ein paar Monate vergehen und fokussierte sich vollends auf seine Arbeit als Klavierlehrer und einige Konzerte in den Berliner Clubs. Als er sich die Stücke schließlich erneut anhörte, konnten ihn die nachträglich aufgenommenen Songs allerdings nicht so überzeugen wie der Livemitschnitt vom Konzert. Die Einmaligkeit des Abends ließ sich nun einmal nicht rekonstruieren. Das liege, wie er sagt, vor allem an der Improvisation: „[…] also es ist bei meinem Album überhaupt nicht alles perfekt. Der dritte Track ist ein Stück, wo es die Bridge nicht gibt. Die wird dann improvisiert und ich mache ein Solo darüber. Das ganze Ding habe ich eine Woche vorher überhaupt erst geschrieben. Natürlich können dann manchmal auch Fehler passieren, aber die können zu etwas Neuem führen. Dadurch ist alles auch irgendwie greifbarer und ich kämpfe mit aller Kraft, dass es nicht auseinanderfällt. Dass es irgendwie klappt. Das hat so eine reale Energie.“ Letztendlich haben es acht der 13 live gespielten Songs auf das finale Album geschafft, das im Januar 2023 veröffentlicht wurde. Circulation, das Elemente aus den Bereichen Jazz, Blues und Klassik beinhaltet, wurde ein Jahr nach dem Konzert veröffentlicht.

Zukunftsmusik

Die Veröffentlichung seines Albums war für Felix erst der Anfang. Der Pianist hat noch viele Ideen in seinem Kopf und für dieses Jahr hat er sich einiges vorgenommen. Vor allem das Thema Mikrotonalität möchte er weiterverfolgen und sich damit erneut im Bandkontext auseinandersetzen. Auch seine Solopianokarriere soll auf jeden Fall weiterverfolgt werden. Er beschäftigt sich momentan viel mit rhythmischen Impulsen und wie man das Klavier noch einsetzen kann, um neue Klänge zu kreieren. Viele der in Köln entstandenen Ideen sind zudem noch nicht ausformuliert worden, sodass er auch daran weiterarbeiten möchte. Weitere Solo- oder Bandprojekte schließt Felix für 2023 zwar nicht aus, Näheres hierzu verraten möchte er zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht.


Eines ist allerdings klar: Bei so viel Inspiration und Schaffensdrang dürfte es schwer werden, nichts mehr von Felix zu hören. Es scheint, als habe die Veröffentlichung seines ersten Albums einen Knoten gelöst. Vielleicht war es die letzte Bestätigung, die er brauchte, um den Zweifeln aus der Vergangenheit entgegenzuwirken. Sein Umfeld hat jedenfalls keine Bedenken mehr an seiner Entscheidung, sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Es überrascht auch nicht, dass ihn die Frage, ob er es je bereut habe, Musiker geworden zu sein, eher verwirrt. Denn er vermutet: „Wahrscheinlich war ich das schon immer“.

Wenn du den Jazzpianisten jetzt auch einmal live erleben möchtest, kannst du dich online über seine aktuellen Projekte und Konzertdaten informieren!

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